top of page

Auf den Spuren der Hirten


Er war wohl der einzige katholische Priester, der zu Weihnachten vor Juden gepredigt hat. Die Weihnachtsvigil der Benediktiner auf dem Jerusalemer Zionsberg ist seit Jahren ein fester Termin für deutschsprachige Katholiken, vor allem aber für jüdische Israelis. Mehrere Hundert Menschen nahmen an der Mitternachtsfeier in der Dormitio-Abtei teil. Für Abt-Administrator Nikodemus Schnabel eine Herausforderung, das christliche Geheimnis der Menschwerdung Gottes einem zu 95 Prozent jüdischen Publikum zu erklären – ohne den Vorwurf der Judenmission zu riskieren, wie er einräumte.

Israelische Zeitungen brachten schon in den Tagen zuvor ganzseitige Berichte über das Weihnachts-Event von Jerusalem. Die Klosterkirche war bis auf den letzten Platz besetzt.

Über die Gründe des Andrangs rätseln Schnabel und seine Benediktiner-Kommunität seit Jahren. Sicher spielt bei manchen „Jeckes" – also den Nachkommen der deutschsprachigen jüdischen Einwanderer der 1930er-Jahre in Palästina – eine Nostalgie für die deutschsprachige Weihnachtskultur und ihre Lieder eine Rolle. Da sei Neugier im Spiel, was die Christen an ihrem Hochfest zelebrierten. Allerdings schwingen auch ganz profane Gründe mit, wie die Zeitung „Haaretz" ermittelte: Dass man dabei das romantische Gefühl von Winter und Frost erahnen könne, meinte ein Interviewter.

Eingerahmt war dieses religiös-kulturelle Midnight-Event von zwei katholischen Zeremonien: Vier Stunden vorher feierten die Mönche mit der deutschen Kommunität eine klassische Christmette. Und nachdem in der Mitternachtsvigil das Lied „Stille Nacht" verklungen war, machten sich die Benediktiner mit ihrer Kerngemeinde aus über hundert Freunden, Studierenden und Volontären in der Tradition der Hirten zu Fuß auf den Weg nach Betlehem. Trotz zeitweise strömenden Regens.

Durch die dunkle Nacht führte der Weg über die zu dieser Stunde fast autofreie Hebron-Road. Mit sich trugen sie eine Papierrolle mit den Namen ihrer Weihnachtsaktion. Einige Wochen vor dem Fest hatten die Mönche die Freunde ihrer Gemeinschaft eingeladen, ihnen die Namen von Personen zu schicken, denen sie danken und für die beten wollten. Diese Namen und Anliegen wollten die Betlehem-Pilger in der Weihnachtsnacht mit nach Betlehem tragen und an der Geburtsgrotte niederlegen.

Insgesamt 70.518 Namen waren auf diese Weise in den Tagen vor Heiligabend in der Dormitio-Abtei eingegangen. Viele waren mit Fürbitten versehen, für Menschen in persönlichen Nöten und schwierigen Lebenslagen. Die Mönche hatten mit den Volontären der Abtei die Post bearbeitet, die Namen in Excel-Dateien eingetragen und auf eine lange Rolle geklebt.

Zwei Stunden brauchte der nächtliche Pilgerzug für die knapp zehn Kilometer lange Strecke, mit Gebeten, Liedern, Stille und Gesprächen. Am Mar-Elias-Kloster kurz vor dem Checkpoint gab es einen Halt, dann später nochmals am Ortseingang von Betlehem. Gegen 4.30 Uhr traf die Gruppe an der Geburtsbasilika ein.

In der Geburtsgrotte, die zu dieser frühen Stunde ihnen allein gehörte, legten sie die Papierrolle am silbernen Stern nieder, an dem einst nach der Geburt Jesu die Krippe gestanden haben soll.

In den Grotten von Betlehem beteten die Mönche und ihre Begleiter die Laudes, das liturgische Morgengebet der Kirche. Den Rückweg nach Jerusalem legten nur einige hartgesottene Pilger zu Fuß zurück. Die meisten bestiegen einen Bus.

Quelle: KNA

bottom of page