Corona: Lagebericht aus dem Heiligen Land
Auf den ersten Blick scheint die Situation wieder völlig normal zu sein, wenn man durch die Altstadt von Jerusalem geht: Nachdem die meisten Geschäfte wieder geöffnet sind und die Regierung während der Hitzewelle Ende Mai gestattet hat, auf Mund- und Nasenschutz zu verzichten, sind viele Menschen wieder ‚unmaskiert‘ auf der Straße zu sehen. Dabei war es eine ganz und gar nicht normale Zeit.
Zur großen Freude der Christen sind die beiden wichtigsten Kirchen wieder zugänglich – die Grabeskirche in Jerusalem und die Geburtskirche in Betlehem, die seit März geschlossen waren. In beiden Fällen mussten die dort vertretenen Konfessionen erst klären, wie die offiziellen Beschränkungen umgesetzt werden; vor allem Abstandsregelungen, eine maximale Anzahl von zunächst 50 Besucher*innen gleichzeitig etc. Es finden erste Gottesdienste mit externen Teilnehmer*innen statt.
Am Pfingstsonntag feierte (wie üblich) der Apostolische Administrator, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, die Eucharistie in der Dormitio-Abtei – gilt doch der Zion traditionell als Ort des Pfingstgeschehens.
Der Ramadan war still wie nie – es gab keine gemeinsamen Gebete in den Moscheen, kein Ausgehen und kein gemeinsames Feiern abends nach dem Fastenbrechen. Auch das Zuckerfest wurde nur verhalten gefeiert. Israelische Politiker wie Benny Gantz lobten die Disziplin der (muslimischen) Gläubigen.
Die Grenzen zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten werden wieder geöffnet, sodass die ersten Palästinenser an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können. Doch trotz dieser scheinbaren Normalität sind die Probleme längst nicht verschwunden. Im Gegenteil endet nun für viele Menschen, die arbeitslos geworden sind, der Zeitraum, in dem sie staatliche Unterstützung erhielten. Nun werden sie entlassen. Andere, wie Migrant*innen und Asylsuchende in Israel, haben ohnehin keine Arbeitsstelle. Auch können weiterhin keine Tourist*innen und Pilger*innen einreisen. Die DVHL-Gästehäuser stehen weiterhin weitgehend leer. Umso mehr freuen wir uns, dass israelische Freunde im Pilgerhaus Tabgha Schawuot gefeiert haben. Hotelangestellte, Busfahrer, Reiseleiter*innen sind weiterhin ohne Arbeit. Der DVHL versucht über das St. James-Vikariat des Lateinischen Patriarchats, besonders betroffenen christlichen Familien zu helfen.
Darüber hinaus schauen viele Menschen gespannt darauf, wie es mit den Annexionsplänen der israelischen Regierung weitergeht. Auch die einheimischen Christen fürchten eine weitere Verschlechterung ihrer Situation.
Zum Glück haben viele Reisegruppen des DVHL nicht abgesagt, sondern ihre Reise nur verschoben. Wir hoffen, dass sie spätestens im Herbst mit dafür sorgen, dass wirklich weitgehend Normalität in Jerusalem und anderswo einkehrt. Dafür darf es dann ruhig wieder ein bisschen lauter werden.