Eigentlich wollten wir in diesem Jahr nicht in die Türkei, sondern nach Israel. Aber das war durch den Krieg unmöglich geworden. Also wurde umdisponiert: Türkei! Und dann hieß es vielfach: „Türkei? Doch nicht bei den jetzigen politischen Verhältnissen da!“ Schließlich fand sich aber eine Handvoll Mutiger, die dem verlockenden Angebot des DVHL in Antalya für eine Reise zu unseren kulturellen und religiösen Wurzeln nach Istanbul und an die geschichtsträchtige türkische Westküste nicht widerstehen konnten
Die Bezeichnung „Heiliges Land“ lenkt normalerweise die Vorstellung zuerst nach Israel und Jerusalem, die Heimat und Wirkungsstätte Jesu, seit Menschengedenken das Ziel unendlicher Pilgerströme. Beim Betrachten nicht nur der christlichen Heilsgeschichte wird schnell klar, dass man den Blick weiten muss auf Länder, die heute Namen tragen wie Jordanien, Syrien und Libanon. Und wir machten uns also auf ins „Heilige Land“ Türkei.
Ein Land, überreich an Kulturen und mit einer vielseitigen, bewegten Geschichte. Die quirlige Weltstadt Istanbul, ehemals Konstantinopel und Byzanz, war Hauptstadt des Römischen Reiches und wurde später zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Das in der Ilias von Homer besungene Troja und die Ausgrabungen Heinrich Schliemanns ziehen noch immer in ihren Bann. Ephesus, an der Westküste der heutigen Türkei, war in römischer Zeit die Hauptstadt der Provinz „Asia“ und mit der berühmten Celsus-Bibliothek für die Entwicklung des frühen Christentums von zentraler Bedeutung. Bergama, das auch noch ohne seinen berühmten Altar, der sich im gerade im Umbau befindlichen Berliner Pergamonmuseum befindet, mit den Ruinen von Tempel, Bibliothek und Theater auf den Bergen an der Küste thronend die monumentale Größe und Bedeutung des Pergamenischen Reiches ausstrahlt. Die griechische Mythologie und Philosophie grüßte uns in Milet, Aphrodisia und Prienes aus allen Ruinen. Und mit edlen türkischen Teppichen und eleganter Seide wurden wir in Bursa umgarnt.
Theater, Tempel, Hippodrome, Wasserleitungen und Straßen der Römer zeugen heute noch von deren Macht und Infrastruktur. Die imposanten Überreste einer griechischen Agora lassen erahnen, wie dort über Politik, Philosophie, Religion und Kult diskutiert wurde. In diesem Umfeld entwickelte sich unser Glauben und unsere Kirche. Die Apostelgeschichte, die Offenbarung des Johannes und das frühe Christentum sind in diesem Umfeld gut verständlich. Der Blick auf die Entstehung und Geschichte des Islams sowie auf die politischen und gesellschaftlichen Errungenschaften des Osmanischen Reiches beeindrucken zutiefst und erzeugen Verständnis für unsere monotheistischen Glaubensgeschwister und somit auf die heutigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, nicht nur die in der heutigen Türkei.
Zudem wurden wir begeistert von der Schönheit der Landschaft, beispielsweise von den verblüffenden Sinterterrassen von Pamukkale, der Gastfreundschaft auf dem Lande, dem angenehmen Klima, der vorzüglichen Organisation und von unserem unglaublich klugen und charmanten Guide Hasan Gülbol. In besonderer Weise berührten uns die unvergesslichen Momente hoher spiritueller Intensität bei den antiken Tempeln und Kirchen, die mit ihrem „Genius loci“ schon immer die Nähe zum Religiösen, zu Göttern und Gott eröffneten. Aus der Reisegesellschaft wurde so eine feine Reisegemeinde.